Das Prinzip Verarschung

Manchmal könnte man schon trübsinnig werden, wenn man die Welt mit wachen Augen besieht. Man fühlt sich angesichts der geballten Niedertracht und um sich greifenden Dummheit mitunter ziemlich hilflos. Aber man kann zumindest kräftig dagegen anstänkern.

„Unser Erfolg als Unternehmen beruht auf der gründlichen, nachhaltigen und dauerhaften Verarschung unserer Kunden!“ Das könnte ein x-beliebiger CEO bei der Jahreshauptversammlung sagen und hätte damit zumindest einmal die Wahrheit gesagt. So etwas sagt aber ein CEO natürlich niemals. Stattdessen wird er in etwa sagen: „Unsere Marktführerschaft als Unternehmen beruht auf der permanenten Verbesserung von innovativen Produkten, überlegener Qualität und unserem unerreichtem Kundenservice.“

Es war einmal vor langer Zeit, da dachten die Unternehmer noch anders: Ich stelle ein Produkt her, das die Menschen brauchen und das ihnen hilft. Je besser mein Produkt ist, desto erfolgreicher werde ich. Und das klappte wirklich. Die Menschen kauften Produkte, die sie brauchten und die Unternehmer verdienten gut damit. Alle waren glücklich und zufrieden. Na gut, ganz zufrieden waren sicherlich nicht alle und dass das Glück über das Kaufen kommt… Nun ja, das stimmte natürlich damals auch nicht. Aber es war irgendwie ein realer Deal: Nutzen gegen Geld.

Doch seit dieser Zeit ist viel geschehen und ich kann die Entwicklung nicht im Einzelnen nachzeichnen. Heute jedenfalls sieht es so aus, als ob das alte Prinzip umgedreht wurde: Es muss ein Gewinn gemacht werden. Womit und wie ist egal. Das Produkt, der Nutzen für den Kunden, das ist alles unwichtig geworden. Anstelle von guten Produkten gibt es ständige „Verbesserungen“ und „Weiterentwicklungen“, die letztlich kein Mensch braucht, die man aber genötigt wird zu kaufen. Statt tatsächlicher Fortschritte gibt es Marketing.

Beispiele gefällig? Nehmen wir etwas ganz Einfaches – Küchengerät. Es ist modern geworden, dass man Pfannen und Schneebesen beschichtet und jüngst sogar Messer farbig anmalt. Das ist ganz einfach nur Unfug. Die Beschichtungen lösen sich nach einer gewissen Zeit des Gebrauchs auf, die Farbe beginnt abzublättern. Man isst das Zeugs also irgendwann mit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das gesund ist. Wenn die Geräte unansehnlich werden, wirft man den Schrott weg – und kauft sich neuen. Küchengeräte halten normalerweise Jahrzehnte, wenn man sie einigermaßen pfleglich behandelt. Aber das genau scheint das Problem zu sein. Die Leute sollen gefälligst was Neues kaufen. Nicht mit mir! Ich habe gelernt, wie man Pfannen behandelt und weiß wie brauchbares Gerät aussieht. Was anderes kommt mir gar nicht in die Küche.

Das gleiche Prinzip wird bei Büromaschinen wie Druckern, Kopieren, Computern etc. angewandt. Sie werden nach vorausberechneter Zeit obsolet gemacht. Das geschieht über die so genannten Verbesserungen und Weiterentwicklungen. Es ist ein künstliche Veraltung. Die Geräte werden nicht wirklich besser, sondern sie sind nicht mehr kompatibel zu neu erfundenen Standards.

Abgesehen davon, dass ein solches Wirtschaften eine unglaubliche Menge Sondermüll produziert, empfinde ich es einfach als eine bodenlose Frechheit, die Leute so zu verarschen.

Allerdings scheint das alles die meisten Leute gar nicht zu stören. Sie wurden schon recht früh zu Konsumenten erzogen – das ist die Haustierform des Menschen: anspruchslos, gutmütig und einfach zu manipulieren. Sie reagieren verlässlich auf die antrainierten Reize und sind immer bereit, ihr sauer verdientes Geld für gaaaz tolle Neuheiten auszugeben. Sie kontrollieren sich gegenseitig damit keine und keiner aus der Verbraucherherde ausbricht.

Shopping ist nicht mehr nur Hobby, sondern ist zur zentralen Lebensäußerung geworden – ich shoppe, also bin ich. Und Shopping ist nicht das gleiche wie Einkaufen. Man kauft ein, was man braucht, was man benötigt. Aber Shopping ist der sinnlose Erwerb unnützer Waren. Unser Wirtschaftssystem beruht zu großen Teilen auf diesem Wahnsinn.

Wie wenig der zum Konsumenten degenerierte Mensch in der Lage ist, Zusammenhänge zu durchschauen, wie unfähig logisch zu denken, das hat inzwischen nicht nur die Wirtschaft erkannt, sondern auch die besonders nassforschen Kräfte in der Politik. Anstelle von echten Lösungen für tatsächliche Probleme gibt es Pseudolösungen für künstlich aufgebauschte Probleme – es wird bald die Mehrheit sein, die diesem Humbug folgt. Großbritannien macht es vor, Amerika zeigt uns, wie das geht.

About Eilan

Eilan Belhaus ist Dichter und Wortspieler, Poet und Beobachter. Er erforscht die Welt meditativ und lädt Dich zu seiner Welt ein. Eilan freut sich über Kommentare und darauf, in Deine Welt eingeladen zu werden.
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2 Responses to Das Prinzip Verarschung

  1. Die Erfahrung, in der Epoche des Konsumer Kapitalismus zu leben. Ist definitively schmerzhaft. Von ihren Anfängen in der Mitte des 20. Jahrhunderts, Beobachter wie Erich Fromm haben die Frage gewälzt, wie die Menschlichkeit aus dieser selbstgebastelten Unmünfigkeit wieder herauskommen. Die Frage bewegt sich nur ganz langsam auf ihre Lösung zu. Aber selbst wenn Autoren wie Yuval Harrari in Homo Deus oder Pinker in Enlightenment Now do not have the answers, I take solace from seeing the increase of the number of people who ask, Von Menschen, die eine Konsumzukunft nicht für die einzige Möglichkeit hatten. Fromm was not able to foresee how the consumer society and attention economy would intensify after he wrote Sane Society in the 1950s. His fears were important but people have developed in many different ways that were quite the opposite of what he feared. Homo narrans et ludens – ich habe den Mythos Homo Sapiens unter derselben Kategorie wie Bigfoot and Dracula abgespeichert – is more resilient than one fears. Ich denke, daß nicht alles immer besser wird a la Pinker aber ich bezweifle with a 99% confidence level, dass die polished Barbaren ante portas alles übernehmen werden, oder dass wir alle als Transhumanisten in intergalaktischen Weiten unser Dasein als Einbauschränke in AI-powered Starfleet units rotieren werden.

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