Seit Jahren schon ringe ich mit einen Paradoxon. Durch das Internet hat die Menschheit nun so viel Wissen wie nie zuvor zur Verfügung; es ist nur noch ein paar Mausklicks entfernt. Eigentlich müsste das dazu führen, dass die Menschen klüger und vielleicht auch weiser werden, dachte ich. Leider beobachte ich das Gegenteil. Die Dummheit breitet sich in erschreckendem Maße aus.
Zwei Gedanken kamen mir kürzlich, die vielleicht Antworten auf meine Frage nach dem Warum sein könnten. Der eine Gedanke kam mir vor wenigen Tagen, nach dem Besuch einer langjährigen Bekannten. Wir hatten über das Internet gesprochen, und K. sagte, wie toll das doch sei. Man könne so viele wichtige Informationen dort finden.
Nun ist K., sagen wir mal, spirituell sehr rege. Daher stieg ich nicht auf das versteckte Angebot ein, über diese „sehr wichtigen Informationen“ zu sprechen. Ich machte ihr meine Position deutlich, dass ich der Wirkung des Internet auf die menschliche Gesellschaft gegenüber inzwischen sehr skeptisch bin. Ich zitierte Marshall MacLuhan, der von einer Rückkehr zur Stammesgesellschaft durch die elektronischen Medien sprach.
Als ich mich am Tag nach K.s Besuch mit meiner Frau unterhielt, erzählte sie mir einige von den wichtigen Informationen, die ich versäumt hatt. Es ging dabei unter anderem um das „wirkliche“ Grab Jesu in Japan und dass nicht er, sondern sein Bruder am Kreuz gestorben sei…
Und da kam mir wie eine Erleuchtung der Gedanke, dass viele Leute heute nicht mehr unterscheiden können, was echt und was Quatsch ist. Sie können Informationen nicht richtig einordnen. Ihnen fehlen schlicht die notwendigen Kategorien. Je mehr Informationen, desto größer die Verwirrung. Größere Menge Informationen verkraftet der moderne Mensch nicht. Sie führt bei ihm offenbar zu einer Art zerebraler Kernschmelze.
Ich fürchte, es liegt auch am Bildungssystem. Es vermittelt keine Fähigkeiten mehr, sondern „Kompetenzen“. Die reichen vielleicht, ein Abitur zu bestehen, aber zu vergleichen, oder gar zu denken, das haben die jungen Leute in der Schule nicht gelernt. Ein Hinweis sind die weit verbreiteten Kurse zur Studienvorbereitung – für muttersprachlich deutsche Studienbewerber. Ob Studenten das Denken dann in der Uni lernen? Ich habe meine Zweifel.
Einen anderen Gedanken hat mir mein Freund Christian um die Ohren gehauen, als ich ihm von meinen Schwierigkeiten mit dem Widerspruch zwischen vorhandenem Wissen und der offensichtlich wachsenden Dummheit erzählte.
„Wundert dich das?“
„Ja, schon.“
„Das ist doch ganz einfach eine Frage von Angebot und Nachfrage.“
„Wie meinst Du das?“
„Wenn etwas im Überfluss vorhanden ist, sinkt sein Wert. Das haben wir im Studium generale – Vorlesung über Wirtschaftswissenschaften – in der ersten Stunde gelernt.“
„Und du meinst, dass die Menschen Wissen mit den Augen des Verbrauchers betrachten?“
„Ja klar, so wurden sie erzogen.“
Dass Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, war mir klar. Aber für mich wird der Wert nicht über den Preis bestimmt. Ich gehöre zu den “alten weißen Männern”, die immer noch an dem offensichtlich überholten Konzept hängen, dass Wert und Preis grundverschiedene Kategorien sind.
Oder, wie sagt der freche Volksmund: “Die Weisheit läuft dem Menschen nach – der Mensch aber ist schneller!”