Ich bin ja schon, wie meine Tochter Rebecca sagt, ein älterer Herr. Und dennoch habe ich es nicht verlernt, mich zu wundern. Momentan wundere ich mich darüber, was mit dem Internet geschieht. Ganz früher mal, war das Internet eine Verheißung von Freiheit und Demokratie. Ist schon länger her.
Auf meinem Twitter-Account habe ich seit einigen Tagen neue Follower. Eigentlich ein Grund zum Freuen, aber ich fühle mich doch ein wenig seltsam berührt. Denn es sind – ich ringe um ein Wort – Anbieter; das ist wohl der passende Begriff. Ihnen allen ist gemeinsam, dass Sie mir irgendetwas andrehen wollen, z.B. einen kostenlosen Ratgeber für die Neukundengewinnung, einen Ratgeber für den Gartenteich. Einer meiner neuen Folger nennt sich „Erfolgsidee“. Er schreit mich an: „Ihr Leben ist keine Generalprobe!!!“ Ein(e?) Mia sagt zwar nicht, was sie für ein Programm hat, aber sie twittert Tests und Meldungen über neue Gadgets.
Gestern schickte mir mein Provider eine tolles Angebot darüber, wie ich besser bei Google gefunden werden und mehr Umsatz generieren kann. In der aufwendig gestalteten Mail hatte man ein Bild von einem jungen Menschen als Sympathieträger eingebaut. Er hat längere, gelockte dunkle Haare, einen gestutzten Bart und trägt auf dem Kopf eine Wollmütze. Er blickt die Betrachter von unten und leicht seitlich an. Er hat die linke Hand bis auf Halshöhe erhoben, leicht von sich gestreckt und gespreizt. Er sieht so aus, wie ich mir Ebenezer Scrooge als Studenten vorstelle.
Ich habe zurückgemailt, dass ich kein Interesse daran habe, bei Google besser gefunden zu werden und dass ich mit meinem Blog keine geschäftlichen Absichten verfolge. „Sie haben bei mir die Zielgruppe verfehlt“, schrieb ich noch.
Offensichtlich herrscht eine große wirtschaftliche „Aufbruchstimmung“ im Internet. Und sie nimmt stark zu. Irgendwie kommt mir das wie Kolonialismus vor. „Platz da!“ scheint jeder und jede zu rufen, „Platz da, jetzt komme ich!“ Die Giganten des Internet Google, Apple, Facebook und Konsorten sind voll im Krieg gegeneinander. Es wird gerade richtig ungemütlich.