Fiktion formt Wirklichkeit

Als junger Mensch lernte ich Kochmützen kennen. Die traditionelle Kopfbedeckung der Köche war damals eine hohe Röhre aus weißem Baumwollstoff. Der untere Teil war glatt, der obere vertikal gefaltet. Diese Mützen wurden nach dem Waschen gestärkt und sorgfältig gebügelt. Sie hatten dann die Festigkeit von hartem Papier oder leichtem Karton. Nur in diesem Zustand würde ein professioneller Koch seine Mütze aufsetzen.

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Wildgewordenes Internet

Ich bin ja schon, wie meine Tochter Rebecca sagt, ein älterer Herr. Und dennoch habe ich es nicht verlernt, mich zu wundern. Momentan wundere ich mich darüber, was mit dem Internet geschieht. Ganz früher mal, war das Internet eine Verheißung von Freiheit und Demokratie. Ist schon länger her.

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Die Macht des Glaubens

Wenn ich an das Mittelalter denke, kommt sogleich das Attribut „finster“ hinterher. Das finstere Mittelalter ist ein fester Begriff. Das damalige Wissen, speziell in Europa, war dünn. Das Feudalsystem, geprägt von Egoismus und Kurzsichtigkeit verhinderte eine positive Entwicklung. Die Kirche sah sich nicht als Lichtbringer, sondern agierte als gnadenlose Verfolgerin abweichender Meinungen. Ich stelle mir das Mittelalter so vor, wie es von Monty Python in Filmen wie „Die Ritter der Kokosnuss“oder „Jabberwocky“ gezeigt wird. Ich sehe zerlumpte Menschen vor mir, die – sich selbst geißelnd – durch unbefestigte Straßen trotten, vorbei an windschiefen Fachwerkhäusern.

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Kraft und Gerechtigkeit

„Sigmar Gabriel redet in Kiel beeindruckend zum SPD-Jubiläum. Unsere Wurzeln geben uns Kraft. Soziale Gerechtigkeit ist unser roter Faden!“

Das ist ein Tweet des SPD-Bundestagsabgeordneten Soenke Rix vom 7. März 2013. Er enthält zwei Sätze, die wie Slogans für Wahlplakate wirken. Es sind wuchtige, kernige Sätze. Doch wenn können sie begeistern? Wahrscheinlich nur überzeugte Sozialdemokraten – oder sollte man sagen, SPD Mitglieder? Der sozialdemokratisch engagierte „Drucker August“ – eine Figur des  Kabarettisten Georg Schramm – sagte mal: „Wir haben jetzt eine Initiative in unserer Ortsgruppe gegründet – Sozialdemokraten in der SPD“.

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Kennen Sie Renate Bergmann?

Vor kurzem habe ich Renate Bergmann, geborene Strelemann, kennengelernt. Zu sagen, nicht persönlich, wäre nicht ganz korrekt.  Ich weiß von Renate Bergmann einiges: sie ist 82 Jahre alt, vierfache Witwe, keine Vegetarierin, hat eine schwangere Tochter namens Kirsten, leidet unter „Ossiporose“ und Diabetes. Von meinen Nachbarn, die ich regelmäßig sehe, weiß ich deutlich weniger.

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Wider die Dummheit

Alte Hoffnungen sind schwer loszulassen. Vielleicht liegt es daran, dass ich in den 50er Jahren aufgewachsen bin. Dieser Gedanke, dass jede Generation ein wenig klüger ist, dass jedes Jahrzehnt etwas mehr Fortschritt bringt und dass die Welt insgesamt doch irgendwie auf einem guten Weg ist. Er ist mir so lieb und teuer. Wenn ich ehrlich bin, sieht es aber meist nicht danach aus. Heinrich George soll gesagt haben, wer mit 45 Jahren noch nicht gemerkt hat, dass er von lauter Idioten umgeben ist, merkt dies aus einem bestimmten Grund nicht.

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Werkschau in der HFG Pforzheim

Am achten Februar ist es wieder soweit: An der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim beginnt die Werkschau. Wer immer am Freitag oder Samstag dieser zweiten Februarwoche Zeit hat, sollte sich unbedingt auf den Weg in das Hochschulgebäude in der Holzgartenstraße 36 machen.

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Gedanken um die Rolle der Geschlechter

Eigentlich hätte ich das dem Herrn Brüderle gar nicht zugetraut, was man ihm nachsagt, dieses Anmachen einer Journalistin. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung lässt mich vermuten, dass es hier um Wahlkampf geht. Doch das ist nicht der Punkt. An dieser, aus meiner Sicht läppischen, Affäre entzündet sich eine schwierige und längst überfällige gesellschaftliche Diskussion. Wir sind dabei, die Geschlechterrollen neu zu verhandeln.

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Kirchliche Sitten

In einer kleinen Stadt irgendwo in Deutschland kam der Landeschef einer großen kirchlichen Einrichtung zum Besuch in die örtliche Zweigstelle. Diese Zweigstelle unterhält auch einen Second-Hand-Laden, in dem gespendete Kleider, Bücher und Haushaltsgegenstände verkauft werden. Die Preise sind sehr moderat: eine Jacke kostet vier Euro, ein Hemd einen Euro, ein Schal 30 Eurocent. Am Laufen gehalten wird der Laden von etwa einem Dutzend ehrenamtlich tätiger Frauen – darunter etliche Hartz IV-Empfängerinnen – und einer Ein-Euro-Kraft.

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Das globale Dorf

Als ich zum 1. Mal in Marburg war, ging ich staunend durch die schöne Altstadt. Viele der Häuser waren aus dem 18. Jahrhundert oder älter. Wie schön dachte ich, wie schön muss es doch gewesen sein, damals zur Zeit von Goethe zu leben. Doch dann kamen mir rasch Zweifel. Wie eng doch die Häuser zusammenstehen! Wie sehr die Leute einander nicht nur durchs Fenster, sondern wie sie sich gegenseitig gewissermaßen in den Suppentopf geguckt haben müssen! Tratsch und Gerüchte, erdrückende gegenseitige soziale Kontrolle, Unfreiheit, Duckmäusertum, Spießigkeit, Selbstgerechtigkeit, Heuchelei – diese Gedanken kamen wie eine Lawine über mich. Nein, es war sicherlich nicht schön, zu Zeiten von Goethe in Marburg zu leben. Die Idylle hübscher Häuser täuscht.

Die relative Freiheit, die wir gegen Ende des 20. Jahrhunderts genossen haben, war mir da schon sehr viel lieber. Man konnte mehr oder weniger machen was man wollte, solange man dadurch niemandem schadete. Es gab so etwas wie Privatleben, Toleranz und Respekt.

Doch leider ist diese Zeit vorbei. Wir sind wieder im 18. Jahrhundert gelandet. Tratsch und Gerüchte, gegenseitige soziale Kontrolle, Unfreiheit, Spießigkeit, Selbstgerechtigkeit und Heuchelei – sie feiern im Internet fröhliche Urständ. Ich muss nur verschiedene Fora besuchen und mir für eine kurze Zeit die Kommentare ansehen. Lange halte ich das eh nicht aus. Meist findet ein Wettbewerb in den Disziplinen Eitelkeit und Niedertracht statt. Die Versprechungen des Internets vom globalen Dorf haben sich auf eine für mich erschreckende Art und Weise erfüllt.

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